EmLab Legal – Arbeitsrecht Aktuell
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Arbeitsrecht Aktuell
17. Januar 2022
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Erweiterung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat geplant
Auf deutsche Unternehmen wird in dieser Legislaturperiode eine Ausweitung der unternehmerischen Mitbestimmung zukommen. Es ist zu erwarten, dass die neue Bundesregierung unter Führung der SPD die im Koalitionsvertrag mit den GRÜNEN und der FDP hierzu vereinbarten Maßnahmen zügig umsetzen wird.

Die geplanten Änderungen der Unternehmensmitbestimmung betreffen alle Unternehmensgruppen, die in Deutschland (noch) weniger als 2.000, aber mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigten (s. hier, S. 71 f.). Wenn sie nicht zeitnah reagieren, könnten zahlreiche bislang mitbestimmungsfreie Unternehmensgruppen aus dem deutschen Mittelstand ebenso wie schnell wachsende Start-Ups erstmals gezwungen sein, Arbeitnehmervertreter in ihren Aufsichtsrat wählen zu lassen bzw. einen solchen erstmals zu bilden.
Erweiterung der Konzernzurechnung

Nach aktueller Rechtslage müssen Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und KGaA) einen zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat bilden, wenn sie in Deutschland regelmäßig mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Anders als bei der paritätischen Mitbestimmung, kennt das Drittelbeteiligungsgesetz bislang keine generelle Zurechnung der Arbeitnehmer aus Tochtergesellschaften an die Konzernspitze. Vielmehr werden Arbeitnehmer innerhalb der Unternehmensgruppe nur dann der Konzernspitze zugerechnet, wenn (i) zwischen den Gesellschaften ein Beherrschungsvertrag besteht oder (ii) das abhängige Unternehmen eingegliedert ist (vgl. § 2 Abs. 2 DrittelbG, s. hier). Beide Voraussetzungen konnten in der Praxis relativ einfach verhindert werden.

Die Bundesregierung plant nun die sog. Konzernzurechnung aus dem Mitbestimmungsgesetz (für Unternehmen mit regelmäßig mehr als 2.000 in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern) auf das Drittelbeteiligungsgesetz auszuweiten. In diesem Fall würde zukünftig bereits die „faktische“ Beherrschung von Tochtergesellschaften für eine Zurechnung der Arbeitnehmer an die Konzernspitze ausreichen und ggf. zum Überschreiten des Schwellenwerts von 500 Arbeitnehmern führen.

Bald Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat?

Wenn die Bundesregierung die Konzernzurechnung wie geplant auf das Drittelbeteiligungsgesetz erweitert, hätte das zur Folge, dass praktisch alle Unternehmensgruppen mit mehr als 500 Arbeitnehmern in Deutschland einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu errichten hätten. Anteilseigner müssen sich dann mit dem Gedanken anfreunden, dass bei allen wesentlichen Unternehmensentscheidungen im Aufsichtsrat mindestens zwei Arbeitnehmervertreter mit am Tisch sitzen werden. Dadurch wird das Thema der Vertraulichkeit sicherlich neue Brisanz erhalten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in der Praxis häufig auch in den Betriebsratsgremien engagiert sind und nicht selten Informationen weitertragen.
Gründung einer SE

Eine Möglichkeit, den Status-Quo der Mitbestimmung(sfreiheit) dauerhaft zu erhalten, liegt in der Gründung einer Societas Europaea (kurz: SE). Durch Umwandlung der Konzernspitze in eine SE können Unternehmen mit ihren Arbeitnehmervertretern eine maßgeschneiderte Form der Mitbestimmung vereinbaren. Dabei sorgt das sog. Vorher-Nachher-Prinzip dafür, dass der zum Zeitpunkt der Umwandlung bestehende mitbestimmungsrechtliche Status „eingefroren“ wird und eine Unternehmensgruppe künftig nicht mehr in eine stärkere Form der Unternehmensmitbestimmung hineinwachsen kann.

In den letzten Jahren haben immer mehr Unternehmensgruppen die zahlreichen (weiteren) Vorzüge der SE als internationaler Rechtsform erkannt und im Zuge einer SE-Umwandlung zugleich ihre mitbestimmungsrechtlichen Strukturen zukunftsfähig ausgestaltet.

Keine Zeit zu verlieren

Betroffene Unternehmensgruppen, die derzeit oder mittelfristig mehr als 500 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen, sollten sich allerdings zeitnah Gedanken machen, ob sie auf die erweiterte Konzernzurechnung im Drittelbeteiligungsgesetz gut vorbereitet sind. Denn die Bundesregierung plant eine weitere Verschärfung der Unternehmensmitbestimmung:

"Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Unternehmensmitbestimmung weiterentwickelt wird, sodass es nicht mehr zur vollständigen Mitbestimmungsvermeidung beim Zuwachs von SE-Gesellschaften kommen kann (Einfriereffekt)."

Es spricht vieles dafür, dass die Bundesregierung bei der Umsetzung dieses Vorhabens auf erhebliche europarechtliche Widerstände stoßen wird. Anders als bei der Ausweitung der Konzernzurechnung in Deutschland lässt sich diese Verschärfung nicht „einfach“ durch ein nationales Gesetz umsetzen – vielmehr bedarf es aufgrund der europarechtlichen Vorgaben zur SE unseres Erachtens einer europäischen Einigung (daher wohl auch die vorsichtige Formulierung „dafür einsetzen“). Betroffene Unternehmen sind gleichwohl gut beraten zügig zu handeln, da aus unserer Sicht für eine bereits bestehende SE der Grundsatz des Vertrauensschutzes Anwendung finden muss.




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